Mit Textil-Großhandel für wenig Geld auf den Kilimandscharo
Zwiebellook extremEiner unserer Mitarbeiter hat den höchsten Berg Afrikas bestiegen und dabei unser Outdoor-Sortiment dem ultimativem Härtetest unterzogen. Seinen Erfahrungs- und Reisebericht, viele Infos zu allen auf dem Trip verwendeten Outdoorartikeln und einige Extras, wie die komplette Packliste für die Tour, finden Sie auf diesen Seiten.
Wenn jemand eine Reise tut...
...dann kann er was erzählen. Erst recht, wenn er vom "härtesten Spaziergang der Welt" zurückkommt. Denn der technisch leichte Aufstieg zum Dach Afrikas bietet nicht nur eine intensive Naturerlebnisse, er macht aufgrund seiner für Flachlandtiroler extremen Höhe eine intensive Vorbereitung nötig. Sowohl was Kondition und allgemeine Fitness, als auch das Zusammenstellen der notwendigen Ausrüstungsgegenstände angeht.
Mit diesem Erfahrungsbericht möchten wir Ihnen zuerst mögliche Alternativen zur teuren Funktionskleidung der Markenhersteller und deren richtige Auswahl vorstellen, um Sie später mit auf die Reise zum Kibo zu nehmen und die Textilien auf Herz und Nieren prüfen.
Part 1: Die Vorbereitung
Part 2: Der Aufstieg
Die Artikel und ihre Auswahl
Die Vorbereitung – Auswahl der richtigen TextilienDie Liste, die uns einige Monate vor dem Abflug per E-Mail erreichte, war lang. Die Aneinanderreihung dessen, was der Veranstalter uns als Ausrüstung für die Wanderung am Kilimandscharo empfahl gereichte, mit ihren weit über 30 Positionen an Textilien und Accessoires, dem Inventar eines gut sortierten Outdoor-Ausrüsters zur Ehre. Von der wärmenden Mütze, über die drei Lagen des Zwiebellooks, bis hin zu den obligatorischen Wanderstiefeln fehlte kaum etwas aus der bunten Welt der Funktionsbekleidung.
Ein Blick in Kleiderschrank und Keller bestätigte meine Vermutung: Nur ein Bruchteil befand sich
in
meinem aktuellen Fundus. Der Kahle Asten ist dann eben doch nicht der höchste Berg Afrikas. Ergo –
das Portemonnaie sollte wohl bluten. Die schlimmsten Befürchtungen erwiesen sich nach wenigen
Klicks durch einschlägige Online-Shops und dem Besuch eines Kölner Outdoortempels als absolut
berechtigt und ließen mich konsterniert zurück. Selbst wenn ich mir einen Schlafsack und das ein
oder ander Teil leihen würde, kämen um die 1.000
Euro an zusätzlichen Ausgaben auf mich zu. Hätte ich doch bloß vorher recherchiert. Ich wäre
trotzdem
gefahren.
Denn eine Lösung findet sich immer...
Wissenswertes zum höchsten Berg Afrikas
Der Mount Kilimandscharo
- Erstbesteigung am 6. Oktober 1889 durch den Deutschen Hans Meyer
- höchster freistehender Berg der Welt (5.895 m)
- Kilimandscharo bezeichnet das gesamte Massiv aus 3 Bergen (Shira, Mawenzi und Kibo)
- 5 Vegatations- und Klimazonen
- Flächenverlust der Gletscher seit 1912: > 85 %
- 9 Routen auf den Gipfel
- der Uhuru Peak, der höchste Punkt des Kibo, hieß bis 1964 Kaiser-Wilhelm-Spitze
- seit 1987 Weltnaturerbe
- 45.000 Personen pro Jahr probieren ihn zu besteigen. Die Erfolgsquote liegt nach unterschiedlichen Angaben meist zwischen 30 und 80 %.
Man müsste das Empire State Building mehr als 13-mal übereinander stapeln, um die ungefähre Höhe des Mount Kilimanscharo zu erreichen!
Und wo wir gerade in den USA sind: Der älteste Mensch, der den Berg bisher (November 2019) bestiegen hat, war die 89 Jahre alte Anne Lorimor aus Arizona.
Pole, pole. Im Gänsemarsch an den Fuß des Kraters.
Hochwertige Outdoor- und Funktionsbekleidung zum kleinen Preis
Nachdem ich eine zeitlang den Gedanken an die Ausrüstung beseite geschoben hatte, schoss sie
mir
durch den Kopf:
Eine mögiche Lösung, die nichts mit einem Bankkredit zu tun hätte.
„Könnte das funktionieren? Mit den Klamotten aus unserem Shop auf den Kili?!“
Einmal genauer hinschauen schadet ja nicht... So konkretisierte sich der zuerst noch vage
Gedanke
und rettete schließlich einen
großen Teil meines Reisebudgets.
Denn neben Standard Basics wie unseren T-Shirts, Poloshirts,
Hoodies & Co. haben wir einiges an Funktionstextilien und
Accessoires auf Lager. Eine Produktkategorie, die bei uns immer ein wenig unter dem
Radar läuft. Wohl auch, weil wir den Produkten aufgrund des auffällig niedrigen Preises
insgeheim
ihre
Funktionalität absprechen. In fast jedem Fall zu unrecht, wie sich bald herausstellen sollte.
Ein zügiger Abgleich unseres Online-Shops mit der Packliste ergab: So gut wie alles, was drauf stand, ist in unserem Sortiment zu finden und hält einer – vorerst theoretischen – Überprüfung hinsichtlich der Leistungsmerkmale stand.
Sei es eine Mütze mit intergriertem LED-Licht, eine leichte Sturmhaube, eine 3-in-1-Funktionsjacke bis Minus 20 Grad, lange und kurze Funktionsshirts, Handschuhe und Schals, Regenhose und Softshellhose, Schlauchschals wie den Morf, Socken oder kleine Helfer wie Microfaser-Handtücher. Obwohl ich bei uns für die Pflege der Produkte zuständig bin, erstaunte mich die Auswahl. Aber man kann ja nicht alle 6.500 Produkte kennen ;)
Selbst Schuhe wären auf Lager gewesen. Aber – da bin ich ehrlich – hier habe ich meinen bewährten Stiefeln mehr vertraut, als den Workwear-Boots aus unserem Online-Shop. Und das Gleiche empfehle ich jedem anderen Gipfelstürmer. Man kann bei der Ausrüstung überall sparen – wie ich mit diesem Artikel zeigen werde. Doch bei den Schuhen sollte jeder die für sich passenden hochwertigen Treter mit Bedacht (und mit Beratung!) auswählen und eintragen. Es lohnt sich jeden Tag!
Gut, dass wir verglichen haben – Textil-Großhandel vs. Outdoor-FachhandelVon allen Produkten, die ich aus unserem Angebot ausgewählt habe, habe ich auf der Tour nur auf die Handschuhe verzichtet, da sie mir von den Wärmeeigenschaften her ungenügend erschienen. Alternativ habe ich mir bergerprobte Skihandschuhe für die Gipfeletappe ausgeliehen. Für die restlichen kühleren Stunden morgens und abends reichten die leichteren Funktionshandschuhe aus dem Online-Shop dagegen vollkommen aus.
Treuer Begleiter: der Tagesrucksack QX530 von Quadra.
Produkte im Fokus: Tagesrucksack und Systemjacke
Es muss nicht immer Marke seinInsgesamt habe ich 23 Produkte aus unserem Sortiment in einfacher und mehrfacher Ausführung auf der Reise genutzt. Vier Artikel haben mich besonders überzeugt. Die ersten beiden möchte ich an dieser Stelle vorstellen.
SLX 30 Litre Backpack
Der 30 Liter fassende Rucksack eignet sich optimal als Daypack bei Touren, die häufigeres Wechseln der Kleidung verlangen. Das bestickbare Stück bietet alles, was ein guter Rucksack braucht: intergierte Regenschutzhülle, gepolsterte, verstellbare Schulter-, Hüft- und Brustgurte, ein ergonomisch geformtes, atmungsaktives Rückenteil mit Netzeinsatz, ein innenliegendes Fach für einen Wasserbehälter, Halterung für Trinkschlauch, Ösen für Wanderstöcke u.v.m.
SLX 30 Litre Backpacknur 7,58€
Ranger 3-in-1 System Jacket
Die Ranger-Systemjacke bietet Höchstleistung auch bei extremen Klimabedingungen. Bei Temperaturen bis -20°C vereint sie konträre Eigenschaften wie Wasserdichtigkeit (2.000 mm) und Atmungsaktivität (1.000 g/m²) gekonnt miteinander. Durch das herausnehmbare Polar-Fleece erhalten Sie sowohl eine leistungsstarke Fleecejacke (278 g/m²-Fleece) als auch eine leichte Softshelljacke (165 g/m²). Abnehmbare Kapuze, Multimediatasche, einstellbare Ärmelenden und versiegelte Nähte runden das Leistungsspektrum der bestickbaren Jacke ab.
Ranger 3-in-1 System Jacketnur 162,98 €
Alles für eine erfolgreiche Besteigung Benötigte im Überblick
Packliste "Kilimandscharo"Die folgende Liste entspricht der Packliste, die ich von unserem Tourveranstalter vorgelegt bekommen habe. Bei den gelb hinterlegten Produkten habe ich mich aus Funktionalitätsgründen für andere (gekaufte, geliehene oder besessene) Varianten entschieden. Die rot hinterlegten sind nicht in unserem Sortiment erhältlich.
AUSRÜSTUNGSGEGENSTAND | PRODUKT | PRODUKTNUMMER | MARKE | STANDARDPREIS/STK. | EMPFEHLUNG |
---|---|---|---|---|---|
Tagesrucksack (20 bis 30 l) | SLX 30 Litre Backpack | QX530 | Quadra | 42,54 € | Ja |
Duffle Bag | Pro Cargo Bag | QD525 | Quadra | 30,86 € | Ja |
3 Paar warme Socken | Workwear Socks (3 Pair Pack) | RG003 | Regatta Hardwear | 6,72 € | Ja |
3 Paar leichte Socken | Cool Socks | RG003 | Just Cool | 10,47 € | Ja |
1 warme Mütze | Mighty LED Knit Beanie | EL38661 | Elevate | 7,84 € | Ja |
1 Sturmhaube | Microfibre Balaclava | CB225 | Beechfield | 2,04 € | Ja |
1 Sonnenschutzhut | Expert Kiwi Sun Hat | CEC003 | Craghopper's Expert | 25,47 € | Ja |
1 leichter Schal | Morf™ Original | CB900 | Beechfield | 1,76 € | Ja |
1 Fleeceschal | Hotty - Warm Neckwarmer | AT711 | Atlantis | 2,33 € | Ja |
1 leichte Funktionshandschuhe | Softshell Sports Tech Gloves | CB310 | Beechfield | 7,76 € | Ja |
1 warme Funktionsjacke | Men`s Ranger 3-in-1 System Jacket | ST76 | Stormtech | 162,98 € | Ja |
1 Fleecejacke | Active Fleece | TJ9160 | Tee Jays | 20,73 € | Ja |
2 lange Thermo-Unterhosen | Thermal Long Johns | RG113 | Regatta Hardwear | 8,49 € | Ja |
2 lange Thermo-Unterhemden | Thermal Longsleeve Vest | RG112 | Regatta Hardwear | 8,49 € | Ja |
1 warme, winddichte Hose | Tech Performance Soft Shell Trouser | RT132X | Result WORK-GUARD | 38,49 € | Ja |
1 Woll- oder Flanellhemd | Woven Plaid Flannel Shirt | BU8210 | Burnside | 17,10 € | Ja |
1 Woll- oder Flanellhemd | Woven Plaid Flannel Shirt | BU8210 | Burnside | 17,10 € | Ja |
1 Fleecepullover | Active Fleece Half Zip | S5020 | Stedman | 10,56 € | Ja |
4 Funktionsshirts | Active Intense Tech | S8020 | Stedman | 6,50 € | Ja |
1 Regenhose | Pro Stormbreak Trousers | RG308N | Regatta | 6,50 € | Ja |
1 Regenjacke | Regatta Stormbreak Jacket | RG408N | Regatta | 14,39 € | Ja |
1 Stirnlampe | in Mighty LED Knit Beanie integriert | - | - | -,-- € | Ja |
1 Mikrofaser-Handtuch | Super Size Towel | TH1010 | The One Towelling | 19,37 € | Ja |
1 Mikrofaser-Waschlappen | Microfibre Towel Atoll 30 | L904 | Sol's | 1,37 € | Ja |
1 Wasserbehälter für Rucksack | Drinking System | HF2216 | Halfar | 9,86 € | bedingt |
1 Paar Skihandschuhe | Tech Performance Sport Gloves | RT134X | Result Winter Essentials | 14,80 € | bedingt |
1 Paar leichte Hosen | Men`s Cool Track Pant | JC081 | Just Cool | 13,17 € | bedingt |
1 Paar Shorts | Jackson Bermuda | L01660 | Sol’s | 19,79 € | bedingt |
1 Paar Sportschuhe | Lightweight Safety Trainer | RT348M | Result | 47,83 € | bedingt |
1 Paar Wanderschuhe | Mudstone SBP Safety Hiker | RG2010 | Regatta Safety Footwear | 59,71 € | bedingt |
1 Wasserbehälter, Metall (~3 l) | - | - | - | - | nicht erhältlich |
1 Schlafsack (bis -15°C) | - | - | - | - | nicht erhältlich |
1 Campingkissen | - | - | - | - | nicht erhältlich |
1 Paar Wanderstöcke | - | - | - | - | nicht erhältlich |
1 Sonnenbrille (Kategorie 4) | - | - | - | - | nicht erhältlich |
1 Taschenlampe | - | - | - | - | nicht erhältlich |
Produkte im Fokus: Fleecejacke und Mütze
Mehr als nur ein kleiner PreisNeben dem praktischen Rucksack von Quadra und der Systemjacke von Stormtech fielen mir zwei weitere für eine Bergwanderung weitere essenzielle Produkte als besonders leistungsstark auf, wobei die Mütze durch einen pfiffigen Zusatznutzen besonders zu punkten wusste.
Active Fleece
Die leicht körperbetont geschnittene Fleecejacke eignet sich für Touren in gemäßigt kühlem Klima oder als zweite Schicht im Lagenlook. Das leistungsstarke Anti-Pill-Microfleece mit lasergeschnittener Sturmklappe und zwei großen Vordertaschen ist angenehm zu tragen und sorgt für angenehme Wärme bei sehr gutem Feuchtigkeitstransport.
Active Fleecenur 20,73€
Mighty LED Knit Beanie
Der wärmender Beanie verschafft auf nächtlichen Wanderungen zuverlässig den nötigen Durchblick. Die abnehmbare LED-Stirnlampe mit ihren drei Helligkeitsstufen ist gleichermaßen platzsparend wie leistungsstark und lässt sich via USB aufladen. Die Mütze selbst ist klassisch geschnitten und optimal mit Stick veredelbar.
Mighty LED Knit Beanienur 7,84 €
Der Reisebericht
In Aktion – Mensch und Textil am BergSieben Tage Rongai-Route – von den Tropen in die Arktis und zurück
Nachdem nun alles beisammen und die Visa Permissions vorlagen, ging es für mich und meine drei
Mitstreiter via
Istanbul und Daressalam zum Kilimanjaro International Airport und anschließend zum Startpunkt
der vergleichsweise wenig frequentierten Rongai-Route. Diese führte uns in ihrem ersten Teil von der
kenianischen Grenze in gut 2.000 Metern Höhe Tage stetig – immer „pole, pole“ (langsam, langsam) –
in Richtung des
5.148 Meter hohen
Mawenzi, dem dritthöchsten Berg Afrikas.
Die Vegetation veränderte sich dabei ebenso kontinuierlich wie das Klima.
Ging es bei milden 23 Grad plus inmitten dichter Lianenwälder los, wurden die Bäume nun kleiner und
kleiner,
bis
sie gänzlich Sträuchern und Gräsern wichen, die in den frühen Morgenstunden mit einer leichten
Reifschicht überzogen
waren. Je
spärlicher die Pflanzenwelt, desto reichlicher wurde umgekehrt proportional unsere Kleidung. Immer
häufiger mussten
dünne Handschuhe
übergestreift, das Halstuch zum Beanie
umfunktioniert und
gegen den dickeren Fleeceschal
ausgetauscht werden.
Wenn jedoch
die
Sonne am Mittag fast im Zenit stand, ging es gefühlt fast sommerlich zu. Schicht um Schicht
verschwanden, bis auf
die dünne Fleecejacke, im Tagesrucksack
und der
Sommerbeanie wich der Legionärskappe mit Nackenschutz. Man
glaubt nicht, welche Kraft unser Zentralgestirn in diesen Breiten und Höhen hat.
Morgentoilette über den Wolken.
Stickerei für die Softshelljacke
Textil-Großhandel auf der BrustMeinen Chefs und den Produkten von Textil-Großhandel hatte ich es zu verdanken, dass ich weit weniger
Geld für die Besteigung des Kilimandscharo
ausgeben musste, als befürchtet. Das sollte jetzt auch nach Außen dokumentiert werden. Am besten mit
einem eigens für die Tour entworfenen Expeditions-Signet.
Also hieß es ran ans Werk und Umsetzen. Am Ende stand eine Wort-Bildmarke mit der Begrifflichkeit
"Kilimanjaro Summit Attempt 2019". Über "Attempt", also Versuch,
wagte ich mich, abergläubisch wie ich bin, nicht hinaus...
Erstellt und angebracht wurde der Patch in unserer hauseigenen Stickerei. Dieser wurde auf der
Softshelljacke fest appliziert und so quasi eins mit dem Textil.
Ganz schön Stick – Stormtech-Systemjacke ST76 mit Patch am Gilman’s Point.
Briefing oberhalb der Mawenzi Tarn Hut.
Weiter immer weiter – Naturschauspiel zwischen Mawenzi und Basislager
In den folgenden Tagen passieren wir dunkle Höhlen, sanfte Täler, mal seichte mal steile Anstiege, bis wir die Mawenzi Tarn Hut erreichen. Das Camp auf etwa 4.300 Metern liegt einsam in einem Kessel zu Füßen des gleichnamigen Berges und bietet Stunde um Stunde völlig unterschiedliche, immer neue faszinierende Naturerlebnisse. Sei es die daunengleiche Wolkendecke hunderte Meter unter uns, die im Abendrot glühenden Zinnen des hinter uns aufragenden Berges oder der kleine Kratersee, der von den durch das Camp ziehenden Wolken geheimnisvoll umnebelt wird. Nicht zuletzt zieht uns auch die schwarze Nacht in ihren Bann. Die zum Greifen nah erscheinende Milchstraße lässt uns minutenlang erfurchtsvoll zum Firmament starren. Nur unser Ziel, den Kibo, sehen wir aus unserem Kessel nicht. Er versteckt sich hinter den Kämmen des Mawenzi und wartet bis zum nächsten Tag, um sich uns wieder zu zeigen.
Und das macht er, nach einer eisigen Nacht in Thermounterwäsche, Fleecejacke und dicken Socken, in aller Ausführlichkeit. Es geht stundenlang durch die alpine Wüste über den sogenannten „Sattel“ zwischen Mawenzi und Kibo. Das Tagesziel die Kibo Hut am Fuße des blau umrahmten, vom (leider nicht) ewigen Eis weiß gesprenkelten Kraters immer ganz nah und doch noch so fern vor Augen. Pole, pole... In der praktisch vegetationslosen Mondlandschaft voll riesiger Lavabrocken schwanken die Temperaturen extrem. In einem Moment möchte man sich alles inklusive dicker Winterjacke und langer Unterwäsche überstreifen, im nächsten wieder vom Leib reißen. Je nachdem, wie stark der Wind bläst und ob gerade Wolken über die Ebene jagen und die Sonne verdecken. Es lohnt sich also, lieber ein Oberteil zu viel im Daypack dabei zu haben, als eins zu wenig. Denn erkältet möchte niemand zum bald folgenden anstrengendsten Teil der Tour aufbrechen.
An der Kibo Hut angekommen, spürt man die Nervosität der auf den finalen Aufstieg wartenden Wanderer. Hier vereinen sich mehrere Trails zum Gipfel und an jeder Miene versucht man abzulesen, ob die Person es wohl geschafft hat, schon oben war. Am Uhuru Peak – unser aller Ziel. Oder ob im letzten Moment die D’Acosta-Krankheit mit Kopfschmerz, Übelkeit und Schwindel zum Abbruch gezwungen hat. Ich scanne mich selbst minütlich nach Symptomen. Aber da ist nichts. Und viel Zeit zum Nachdenken bleibt ohnehin nicht. Denn die folgende Nacht endet bereits kurz nach Null Uhr mit dem Wecken durch die Guides, soll Gilman's Point am Rande des Kraters doch nach Möglichkeit zur Dämmerung erreicht werden...
Das obligatorische Beweisfoto: kurzes Gipfelglück am Uhuru Peak.
Alle Klamotten an – im Schleichschritt auf Afrikas Dach
Nach einem schnellen Frühstück geht es im Entenmarsch den Guides hinterher. Serpentine für
Serpentine.
Vorbei an der Hans Meyer Cave und die – warum auch immer – so genannten Jamaica Rocks bis zum
Gilman’s Point. Dort
angekommen tauchte die aufgehende Sonne den Mawenzi in unserem Rücken und die vor uns
liegenden Eisfelder in tausend Rot- und Orangetöne – ein unbeschreiblicher Anblick. Der in der
ersten Euphorie aufkeimende Gedanke,
die
restlichen 200 Höhenmeter zum Gipfel würden zu einem sonnigen Winterspaziergang erweist sich als
Irrglaube.
Der vermeintliche
Spaziergang
wurde zur härtesten Stunde der gesamten Tour. Dem emotionalen High am Gilman’s Point folgte ein
Down. Wäre der Berg
nur 50 Meter höher, der Weg nur 200 Meter länger gewesen – Arrividerci Gipfelurkunde. So quälten wir
uns mit rasenden Herzen auf unsere
Stöcke gestützt Schritt für Schritt voran. Vorbei am Stella Point, die Gletscherfelder unter, neben
und über uns.
Trotz aller
Anstrengungen ein Traum. In Sichtweite des berühmten Gipfelschilds – das zweite High. Jetzt
wusste ich: Ich
schaffe es!
Die Wartezeit auf das obligatorische Gipfelfoto vertrieb ich
mir damit,
hinter selbiges zu treten (mir schien der Punkt noch ein paar Zentimeter höher ;) ), meinen
HSV-Schal und die
mitgebrachte Bierdose aus meiner Heimatstadt aus dem Rucksack zu
kramen. An die wenigen Minuten am Gipfel erinnere ich mich
nur noch in Schlaglichtern. Umarmungen, Glückwünsche, Warten, Posieren. Zu viele Eindrücke für den
kurzen Augenblick, den man
sich so lange ausgemalt hat. Über den man sich gefragt hat, wie man sich fühlen wird, wie man ihm
einen
angemessenen Rahmen geben kann. Am Ende geht alles schnell, fast geschäftig, mit weniger Pathos
und Hochgefühl als gedacht vonstatten.
Ich war froh, oben und von der Höhenkrankheit verschont geblieben zu sein und wieder in angenehmere
Höhen absteigen zu können.
Was bleibt ist weniger ein berauschendes Erlebis am Ziel, als vielmehr ein ganzer Tag als
emotionales und körperliches
Gesamterlebnis mit Tiefen, aber vor allem – in jeder Hinsicht – Höhen.
T-Shirt an, Bierdose auf – ein kühles Blondes bei 25 Grad
Der Weg zurück. In den Worten unseres Bergführers: "A piece of a cake." Zumindest vergleichsweise. Auch wenn der Weg zum nächsten Lager noch einmal fast 2.000 Höhenmeter und einige Stunden Fußmarsch bedeutet und wir seit 14 Stunden auf den Beinen sind. Das befreiende Gefühl des Erfolgs, die Gewissheit, dass alle Befürchtungen überflüssig waren und viele weitere, unbeschreibliche An- und Ausblicke lassen uns jede Erschöpfung vergessen. Mit der Sonne sind auch die Temperaturen gestiegen und eine Schicht nach der anderen gefallen: Softshelljacke aus, Fleecejacke an, Wollmütze ab, leichten Schlauchschal um den Kopf, dicke Handschuhe in den Rucksack, dünne Funktionsgloves an. Alle Textilien haben Ihren Dienst uneingeschränkt erfüllt! Softshell- und Regenhose gehen aus Dankbarkeit an unsere Begleiter und sorgen dafür, dass Textil-Großhandel noch das ein oder andere Mal am höchsten Punkt Afrikas vertreten sein wird und beweisen gleichzeitig, dass leistungsstarke Funktionskleidung nicht teuer sein muss.
Nachdem der letzte Tag noch bei circa Minus 7 Grad in tiefschwarzer Nacht begonnen hatte, führte uns
der letzte
Tagesmarsch quer
durch
das immer grüner und üppiger werdende Moorland in den tropischen Bergregenwald (der sich allerdings
wieder äußerst
sonnig zeigte) zum Ausgang des Nationalparks am Marangu Gate. Hier waren der perfekte Ort und
Zeitpunkt, die
mitgeführten – noch immer kühlen – Biere zu öffnen und auf das Erlebte anzustoßen. Ein wenig stolz
auf das
Erreichte, in kurzer Hose und T-Shirt,
statt Softshelljacke und warmer Hose. Und durch das gesparte Geld, mit ausreichend finanziellen
Mitteln, um in den
verbleibenden Tagen in Daressalam noch ein paar Bier mehr – passenderweise der Marke „Kilimanjaro“ –
zu genießen.
Prost und mpaka wakati mwingine, Henrik!
Geschafft! Das erste Bier nach sieben intensiven Tagen.